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Tristan Meinschäfer

Tristan Meinschäfer, geboren 1983 

in Arnsberg-Neheim, studierte von 2004 bis 2009 Malerei bei Prof. Bechinger (München) und Bildhauerei bei Prof. Michel Sauer (Düsseldorf). 

Seine künstlerische Tätigkeit ist maßgeblich durch das Wechselspiel von (Feld-)Forschungen im Innen- und Außenraum, Beobachtungen in Natur und urbanem Raum, beeinflusst.

 

Mail: info@tristanmeinschaefer.de

Website: www.tristanmeinschaefer.de

instagram: tristan.meinschaefer

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Archaik und Avantgarde.

(aus: Arbeiten von Tristan Meinschäfer im Diskurs.) - Ein Essay von Harm-Heje Kaninski (Hamburg) 

[…] Tristan Meinschäfer lebt und arbeitet in Arnsberg, Neheim. Zentrales Organ […] ist hierbei sein Atelier in der Künstlergemeinschaft Der Bogen [...]. Dies soll nicht heißen, dass sich sein Arbeitsraum auf diese 30 Quadratmeter beschränkt - im Gegenteil: Im Außenraum erkundet der Künstler den ihn umgebenen Naturraum, durchstreift Wälder, begeht Berge, besieht Seen. [...] Optische Eindrücke werden so gespeichert, Objekte erfasst, wobei durch die ständige Wiederholung dieser Prozesse Wahrnehmungsinteressen gebildet und Außergewöhnlichkeiten von Formen erkannt werden. Das mag an den niederländischen Künstler Hermann de Fries erinnern,  dessen künstlerische Arbeit ebenfalls mit langen, fast meditativen Begehungen beginnt, in deren Verlauf de Fries verschiedene Pflanzen und Objekte (welche seine Aufmerksamkeit  auf sich ziehen können) sammelt, um diese später zu arrangieren und in der Ausstellungssituation zu präsentieren. Hermann de Fries zog hier einen Vergleich zu Dürers großen Rasenstück, stellte dieser Abbildung ein tatsächliches auf einem seiner Expeditionen in die heimische Fauna mitgebrachtes und in einem Setzrahmen platziertes Rasenstück entgegen und fragte, welchem der beiden Kunstwerke nun eher der Zugriff auf das tatsächliche Ausgangsobjekt (und damit der Natur als materiellem Urgrund von Welt )gelang (vgl. Kunstforu International, Bd 233/234, "56. Biennale 2015 Venedig. All zur World's futures".). Tristan Meinschäfers Beschäftigung mit dieser Grundfrage künstlerischen Schaffens, gesteht nun beiden Kaisern zu, was dieser Kaiser ist, ohne die Frage dabei eindeutig mit den Mitteln und Strategien derselben zu beantworten: So sammelt Meinschäfer Objekte aus, sowie Eindrücke von Welt, welche daraufhin ins Atelier getragen werden, um sie außerhalb ihrer ursprünglichen Kontexte von Wahrnehmung und Bedeutung so lange lagern und reflektieren zu können, bis sie schließlich Teil eines Transformationsprozesses werden. Die hierbei verarbeiteten Eindrücke reichen von landschaftlichen Erscheinungen (von Bergkuppen und Talsohlen über Waldränder und Flussläufe) bis hin zu Formen, Oberflächen und Details einzelner Objekte (wie Pflanzen und Steine). Sie alle verlieren ihre ursprüngliche Identität in einer Ausdrucksbewegung, werden Fläche, Linie, Farbe und Verlauf, welche das physische Werkzeug (Pinsel, Spachtel, Schleifer, etc...) dem ebenfalls physischen Material (Bildträger, Farben, Graphit, etc...) entlockt und das gespeicherte visuelle Material so künstlerisch verarbeitet. Einen besonderen Stellenwert nehmen hierbei jene Objekte ein, welche Tristan Meinschäfer auf seinen Streifzügen als außergewöhnlich genug ansieht, sie auch physisch-räumlich ihrem ursprünglichen Kontext zu entnehmen und ins Atelier zu tragen. Diese wirken, als wären sie Mittler zweier Welten, da sie zum einen Material zum Erlangen von Wahrnehmungsdaten (Form, Oberfläche, etc...) werden und zugleich auch als physisches Material Verwendung finden und als ganz reale Gegenstände in die Kunstwerke eingearbeitet werden. Dieser Prozess realer Verarbeitung physischen Materials ähnelt der beschriebenen künstlerischen Verarbeitung des von seiner physischen Präsenz entkoppelten Wahrnehmungsmaterials insofern, als dass er ebenfalls eine Transformation beinhaltet, in welchem Tristan Meinschäfer die Objekte ihrem ursprünglichen Sinn- und Wahrnehmungszusammenhang entzieht, was ihm eine Übertragung in neue, in Kunstzusammenhänge ermöglicht. Diese Strategien ähneln dem klassischen Readymade oder dem Objet trouve, wobei sie sich sowohl in dem Kontext aus dem die Fundstücke stammen als auch im Abstraktionsgrad der dadurch entstehenden Arbeiten von diesen Unterscheiden: Tristan Meinschäfer ist ein künstlerische Tätiger des 21. Jhdts., seine Arbeiten sind keine Reanactments, welche Stierköpfe oder Springbrunnen (fontaine) sein wollen. Sie sind stattdessen in der Malerei Linie und Fläche, in der Skulptur Körper im Raum [...] die geschilderten Zusammenhänge werden deutlicher und die Fragestellung nach der Möglichkeit einer Verbindung von Dargestelltem und Darstellung bemüht sich um Konkretion. Diese Konkretion ist allerdings der Akt der künstlerischen Handlung selbst: Denn während das Dargestellte abstrakt (Linie, Fläche und Struktur) bleibt, wagt Tristan Meinschäfer im Darstellungsakt den direkten Zugriff auf den Gegenstand, indem er dessen Oberfläche mit Hilfe von Ölfarbe und Papier buchstäblich abnimmt. Dieses Vorgehen lässt Restaurationstechniken assoziieren, mit denen Fresken und Einkerbungen von den Wänden antiker Architektur abgenommen und so für die Ewigkeit bewahrt werden. Eine Künstlerin, welche ganz ähnlich arbeitete ist Dorothe von Windheim, die mit einer "von Fresko-Restauratoren erlernten Technik Wandoberflächen abnahm [...], weil sie etwas von der Geschichte dieses Gebäudes zu erzählen schienen, etwas von den Zeitläufen in ihrer verwitterten, zerkratzten und benutzten Oberfläche aufbewahrt hatten [...] (Elke von Radäewski: "Das Geheimnis der Fragmente" erschienen in: "Die Zeit Nr. 37/1987). Dorothe von Windheim stellt hiermit die Frage, inwiefern es dem Kunstwerk und somit auch der Künstlerin durch diese Spurensicherung möglich ist, in einem direkten Kontakt zur Welt und ihrer Gegenstände zu treten. Auch Tristan Meinschäfer stellt diese Frage, wobei in seiner Antwort der Eingriff durch den Künstler in zielgerichteter Handlung und Zulassen des Zufalls eine große Rolle spielt. Dies beginnt bereits in der Herkunft der angenommenen Strukturen, welche einem Naturgegenstand entstammen (der noch im Kulturraum gewachsen ist). Die Spur bescheinigt also nicht den menschlichen Eingriff, sondern ist in eigener Dynamik entstanden: Gewachsenes, welches allerdings in einer von Menschen nur bis zu einem gewissen Grad geordneten Sphäre (der ihn umgebenden Natur/Landschaft) entstammte. Wie die im vorangegangenen Ansatz beschriebenen gesammelten Wahrnehmungsdaten und Fundstücke wird auch diese Spur nicht so, wie sie vorgefundenen wurde, wiedergegeben, sondern sie wird zum Rohmaterial, zu Anlass und Output einer Ausdrucksbewegung mit welcher der Künstler ver-arbeitet, was ihm dieses Material zuvor zu liefern bereit war: So gibt Tristan Meinschäfer der Struktur eine Farbe und setzt sie wiederholt auf den selben Bildträger. Er erzeugt durch Gleichzeitigkeit und Wiederholung Rhythmen, worin die Strukturen sich fortsetzen, neuen Strukturen zur Sichtbarkeit verhelfen. Einen wichtigen Teil seiner Arbeit spielen hierbei auch die Leerstellen, jene von Farbe und angenommener Struktur unberührte Zwischenräume. Tristan Meinschäfer studierte viele Jahre bei dem Bildhauer Michel Sauer und so wie der leere, die Skulptur umgebene (oder durchdringende) Raum für diese nicht minder wichtigerer Teil als die geformte Materie ist, so tragen in Tristan Meinschäfers hier beschriebener Arbeitsweise gerade die frei gebliebenen Flächen zwischen dem Farbauftrag ihren Teil zu den auf dem Bildträger entstehenden künstlerischen Strukturen bei. Wichtig sind hierbei auch die Rolle des Seriellen und des Zufalls: So wiederholt und variiert der Künstler den Versuchsaufbau, an dessen Ende die Bilder stehen, wobei es ihm gleich einem naturwissenschaftlichen Forscher besten Falls möglich ist, bedingt in das laufende Experiment einzugreifen. Es wird in einen Dialog mit dem Material getreten, in welchem es (gleich der Dynamik gewachsener Baumketten) am Ende nur schwer möglich ist, zu beschreiben, inwiefern der künstlerisch Tätige bewusst steuernd Eingriff oder ob seine Arbeit eher darin bestand, eine Welt zuzulassen, in der die Dinge geschehen können und sich die Formen aleatorisch, also unter Geburtshilfe des Zufalls aus sich selbst entwickelten. Inwiefern der künstlerische Zugriff auf den tatsächlichen Gegenstand, seine Formen und Strukturen dabei nun gelingt, lässt sich an dieser Stelle nicht endgültig und vor allem nicht pauschal beantworten, da sie mit jedem Rezipienten oder sogar (wenn dieser seinen Blick wach hält und es gleich dem künstlerisch Tätigen auf seinen Streifzügen oder in seiner Ateliereflexion wagt, dass seiner Kunstwahrnehmung Dargebotene auch wirklich zu betrachten, statt hier bloß bereits gefertigte Schemata von Bekannten und Bewusstem abzuspielen) jeder einzelnen Rezeption wieder und wieder erneut auszufechten ist.

„ […] Worum geht es? Um die Befreiung der Materie von der Bedeutungslast. Intuitiv tastet sich der Künstler voran, sucht nach der der Substanz eigenen Form, nach dem Wesen der Materie […] dem Wesen der unbeseelten Natur.“ […]

aus: Philosophie der Intuition (Albers, Jennifer, Kunstgeschichte Universität Münster)

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